Krankheitsgeschichte: Kolumbus hatte die Syphilis nicht eingeschleppt
Die Syphilis und ihre Schwesterkrankheiten waren womöglich in Europa schon früher verbreitet als bislang gedacht. Zu diesem Schluss kommen Forscher der Universität Zürich. Die These, dass Christoph Kolumbus und seine Mitfahrer die Syphilis 1493 aus Amerika nach Europa einschleppten, reicht laut einer Studie von Forschern um die Paläogenetikerin Verena Schünemann allein nicht mehr aus: In menschlichen Überresten, von denen mindestens eine Probe wahrscheinlich aus der Zeit vor Kolumbus stammt, fanden sie unter anderem den Syphiliserreger Treponema pallidum sowie ein bislang unbekanntes verwandtes Bakterium, wie sie in »Current Biology« berichten.
Der Ursprung der bakteriellen Seuche, die nur beim Menschen vorkommt und sich vor allem vom späten 15. bis zum 18. Jahrhundert stark in Europa verbreitete, gilt noch als ungeklärt. Der Erreger Treponema pallidum hat mehrere Subspezies, die verschiedene Krankheiten verursachen: Treponema pallidum pallidum löst die beim Sex und durch Blut übertragbare Syphilis aus, die ohne Antibiotika Schäden des Gehirns und der Blutgefäße verursachen kann. Treponema pallidum pertenue, durch Hautkontakt übertragbar, löst dagegen die Frambösie aus, wegen der Form der Pusteln auch als Himbeerpocken bekannt.
Syphilis, Frambösie und ein Unbekannter
Die Forscher fanden in den DNA-Proben aus Finnland, Estland und den Niederlanden, die aus der Zeit zwischen dem frühen 15. bis 18. Jahrhundert stammen, auch Erreger der Frambösie. Heute kommt die Krankheit fast nur in den Tropen und Subtropen vor. »Unsere Daten zeigen jedoch, dass die Frambösie damals in Europa verbreitet war«, sagt Verena Schünemann laut einer Pressemitteilung der Universität Zürich. Im Skelett aus den Niederlanden fanden die Forscher außerdem einen unbekannten Erreger derselben Familie. Diese Krankheit habe sich offenbar neben der Syphilis und der Frambösie entwickelt, existiere heute aber nicht mehr, wie die Forscher berichten.
Die Funde rücken nun die Geschichte von Treponema pallidum in ein neues Licht: »Mittels unserer alten Genome besteht nun erstmals die Möglichkeit, den gesamten Treponema-Stammbaum zuverlässiger zu datieren«, sagt Schünemann. Demzufolge gab es schon zum Ende des 15. Jahrhunderts eine große Vielfalt von Unterarten in Europa. Mit der bisherigen Annahme, Kolumbus und seine Mannschaft hätten die Krankheit eingeschleppt, ist dieser Befund nicht mehr zu erklären. Vielmehr ergaben molekulargenetische Berechnungen der Züricher Forscher, dass sich der Vorgänger aller modernen Formen vor mindestens 2500 Jahren entwickelt haben muss und womöglich seinen Ursprung in Europa hatte. (dpa/kas)
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